In Braunschweig hielt die AfD am 30.11.2019 ihren Bundesparteitag ab. Bis zu 1.500 Antifaschist*innen beteiligten sich am Freitagabend an einer Vorabenddemonstration der Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“ gegen die rechtsextreme Partei. Am Samstag demonstrierten 20.000 Menschen gegen die AfD. Blockaden am frühen Morgen verzögerten die Anreisen der Deligierten.
Wir beteiligten uns unter anderem mit einem Redebeitrag an der Vorabenddemo:
Auf die Straße gegen Deutschland – egal ob grün oder braun!
Kurz vor ihrem Bundesparteitag in Braunschweig hat die AfD den Klimaschutz als neues Thema für sich entdeckt. Alexander Gauland verkündete im September dieses Jahres, dass der Klimaschutz nach „Euro“ und „Geflüchteten“ „das dritte große Thema“ der AfD werden soll. Genauer gesagt: Das nächste große Antithema, denn die extrem rechte Partei will dadurch ihre bevorzugte Grundhaltung “Wir gegen den Rest” aufrechterhalten. Entgegen der Positionen der anderen Parteien forderte die AfD im Kontext der Klimadebatte erst kürzlich die sofortige Streichung aller Bundesmittel für Klimaschutzmaßnahmen. Argumentieren tut die AfD diese Forderungen mit ihrer Überzeugung der Nicht-Existenz des menschgengemachten Klimawandels. Wie auch bei anderen Themen untermauern sie diese mit pseudowissenschaftlichen Fakten.
Doch wer meint die Dominanz des Klimathemas in der breiten Öffentlichkeit werde der AfD schaden, weil sie außer der Leugnung des Klimawandels nichts zu bieten hat, der könnte einen gefährlichen Fehler machen. Denn schon bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen offenbarte sich ein anderer Trend. Knapp 90 Prozent der AfD-Wähler_innen gaben an, dass sie es gut finden, wie die AfD in der Klimadebatte den etablierten Parteien etwas entgegensetzt. Das kommt nicht von ungefähr, denn die AfD kann ihren Anhänger_innen mit dieser Thematik gleich auf mehreren Ebenen ein ideologisches Angebot machen.
Zum einen bedient und befördert die Partei mit der Leugnung des Klimawandels das überdurchschnittlich starke Misstrauen ihrer Wählerschaft gegenüber der Wissenschaft, den Medien und den demokratischen Institutionen. Dieses Misstrauen wird von der AfD gleichermaßen ausgenutzt wie ausgebaut – aktuell zu einer Klimaverschwörung der Eliten. Die verschwörungstheoretische Ideologie besagt, dass die „Elite“ dem „Volk“ durch etwas „Drittes“ seine Werte, seinen Wohlstand und seine Identität rauben will. Bis vor Kurzem waren die „Dritten“ bei der AfD in erster Linie Geflüchtete. Heute ist es auch der Klimaschutz.
Zum anderen macht die AfD die Klimadebatte zu einem Kulturkampf gegen „Grün“. So erklärte Partei-Influencer Götz Kubitschek die Grünen am Jahresanfang zum neuen Hauptfeind. Seitdem schießt die Partei endgültig aus allen Rohren auf die Grünen, meist mit dem Vorwurf unter ihnen würde eine Art “ökologische Scharia-Polizei” eingeführt werden. Laut der AfD- Kampagne „Grüne stoppen- Umwelt schützen“ will die AfD den „Herausforderungen der Zukunft mit Vernunft und Augenmaß“ „statt mit Grüner Angst“ begegnen, natürlich, wie könnte es auch anders sein, alles im Sinne des Kultur- und Heimatschutzes. Dem „Klima der Vernunft“ der AfD zu Folge stellen natürlich auch Kohlekraftwerke, Verbrennungsmotoren oder unökologische Produktionsbedingungen kein Problem dar. Die AfD gibt sich somit als die Partei, die die Gesellschaft vom allgegenwärtig herrschenden Veränderungsdruck der „Grünen“ befreit. Da zwischen keinen Wählermilieus die Distanz hinsichtlich der Werte so groß ist wie zwischen denen von AfD und Grünen, kann die rechte Partei mit der größtmöglichen Andersartigkeit hier prima mobilisieren.
Doch auch wenn die AfD und die Grünen sich in vielerlei Hinsicht grundsätzlich gegenüberstehen, so lässt sich trotzdem eine entscheidende Gemeinsamkeit finden. Denn während die AfD die Grünen als “Volksverräter” anprangert und die Grünen die AfD ganz richtig als “Nazis” bezeichnen, ist es doch gerade der Nationalismus unterschiedlicher Ausprägung, der sie verbindet. Denn während sich die einen den Kampf gegen die vermeintliche Klimaverschwörung der Eliten zum Schutz deutscher Souveränität auf die Fahne geschrieben haben, argumentieren die anderen, dass staatliche Klimaschutzmaßnahmen nicht nur die Klimakrise abwenden, sondern auch Deutschland ökonomisch voranbringt und davon alle profitieren.
Doch, dass staatliche Politik wirksame Klimaschutzmaßnahmen durchsetzt, ist fast ebenso unglaubwürdig wie die Annahme, dass der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands allen hier lebenden Menschen zu Gute kommt. So ist es doch die Konkurrenz um das ökonomische Wohl zwischen Nationalstaaten selbst, die dem, von den Grünen postulierten, wirksamen Klimaschutz und dem Wohlstand aller im Wege steht. So sind strenge Umweltauflagen oder obligatorische Klimaschutzmaßnahmen dem Wirtschaftsstandort Deutschland ebenso ein Dorn im Auge wie hohe Löhne und Arbeitnehmer_innenrechte. Denn all dies kostet Geld und schmälert somit den Profit. Ein halbherziges Klimaschutzgesetz, niedrige Löhne oder Leiharbeit, all dies ist Ausdruck davon, wie der Standort Deutschland auf Kosten der Umwelt und der Lohnabhängigen wettbewerbsfähig bleiben soll. Die Hoffnung, die Grünen könnten wirksame Klimaschutzmaßnahmen durchsetzen, ist also eine Illusion. Denn auch wenn die Grünen die Regierung bilden würden, würden auch sie Klimaschutzmaßnahmen nur mittragen, wenn diese dem Wirtschaftsstandort Deutschland nicht schaden.
Wenn wir also die Klimakrise abwenden und ein gutes Leben für alle Menschen erreichen wollen, müssen wir uns von den Gesetzten der Marktwirtschaft befreien. Das heißt: Wir müssen das Privateigentum aufheben und uns als Gesellschaft die Produktionsmittel aneignen. Unser Ziel einer solidarischen und ökologischen Gesellschaft ist jedoch nur ohne Staat und nationale Ideologie möglich. Denn der Staat setzt das kapitalistische Wirtschaftssystem durch und der Nationalismus verschleiert die Klassengegensätze und sorgt so für die Aufrechterhaltung dieser ausbeuterischen Verhältnisse. Daher müssen wir uns gemeinsam gegen kapitalistische Ausbeutung von Mensch und Natur sowie jeden Nationalismus positionieren. Und in diesen Zeiten des Rechtsrucks müssen wir uns vor allem der faschistischen AfD und ihren reaktionären Ideologien in den Weg stellen. Denn diese ist keine Alternative, sondern eine völkisch-autoritäre und somit besonders ekelhafte Form kapitalistischer Herrschaft.
Deshalb sagen wir:
Auf die Straße gegen Deutschland – egal ob grün oder braun!
Denn Nationalismus ist keine Alternative – die befreite Gesellschaft schon!