Am 14.4. stand ein Bielefelder Antifaschist vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, während der Moderation einer Kundgebung anwesende Polizist*innen als „Bullen“ bezeichnet zu haben.
Etwa 50 Antifaschist*innen zeigten sich solidarisch und begleiteten den Prozess bei einer Kundgebung und im Gerichtssaal. Der Prozess endete mit einem Freispruch.
Zu Beginn des Prozesses verlas der Genosse eine Prozesserklärung, die wir hier dokumentieren:
Am 03.11.2023 moderierte ich eine Kundgebung, die sich gegen den rechten Aufmarsch von „Bielefeld steht auf“ richtete. Gegen Mitte der Versammlung zogen mich mehrere Beamte gewaltsam aus der Kundgebung heraus und brachten mich hinter ein Polizeifahrzeug. Ich wurde insgesamt über eine halbe Stunde von der Versammlung getrennt, die in dieser Zeit ohne inhaltliche Moderation dastand. Ein klarer Angriff auf die Versammlungsfreiheit.Und wofür? In den Akten steht für eine „Gefährderansprache“. Vor Ort wurde mir jedoch gesagt ich hätte eine Anzeige wegen des „Aufrufens zum Beklatschen von Straftaten“ bekommen. Ich hatte zuvor in der Moderation über einen Blockadeversuch der rechten Demonstration informiert, woraufhin die Teilnehmer*innen unserer Versammlung spontan klatschten. Meiner Meinung nach sagt es einiges über das Verhältnis der Polizei zur Versammlungsfreiheit von Antifaschist*innen aus, wenn sie es für notwendig und verhältnismäßig hält eine antifaschistische Kundgebung für eine halbe Stunde lahmzulegen und mich gewaltsam meiner Freiheit zu entziehen. Und das nur weil sich Menschen darüber freuen, wenn gegen einen rechten Aufmarsch auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams protestiert wird.Ich weiß bis heute nicht ob mich die Polizist*innen vor Ort falsch informiert haben und das Ganze von vornherein eine „Gefährderansprache“ sein sollte – wobei sich dann die Frage stellt welchen Sinn eine Gefährderansprache haben soll, wenn der Betroffene nicht mal merkt, dass er eine bekommt. Plausibler erscheint mir, dass der Polizei im Nachhinein aufgefallen ist, dass die reine Information über Gegenaktionen eine viel zu dünne Grundlage für die Maßnahmen gegen mich, geschweige denn eine Strafanzeige ist. Was in den Akten steht, widerspricht jedenfalls grundsätzlich dem was mir vor Ort mitgeteilt wurde.Als ich wieder frei kam, versuchte ich die Moderation ruhig, aber kämpferisch fortzusetzen. Ich ging und gehe davon aus, dass die Polizei mich mit der vorherigen Maßnahme einschüchtern wollte. Ich habe zu oft erlebt, dass die Polizei eher Sympathien für rechte Versammlungen als für antifaschistische hat und machte das auch deutlich. Da ich weitere Übergriffe durch die Polizei auf unsere Versammlung befürchtete, warnte ich die anderen Versammlungsteilnehmer*innen davor. Laut Polizei soll ich dabei gesagt haben „Die Bullen haben heute Bock auf Repression.“ Dass ich heute vor Gericht stehe, zeigt ironischerweise, dass ich inhaltlich mit dieser Aussage Recht hatte. Ob ich dabei das Wort „Bulle“ genutzt habe, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Es ist aber auch egal. Ich nutze die Worte Polizist*innen, Cops und Bullen Synonym. Dabei ist das eine nicht mehr oder weniger ablehnend als das andere. Was ich ablehne ist die Rolle, die die Polizei bei solchen Versammlungen spielt, wenn sie Rechten den roten Teppich ausrollt und Antifaschist*innen drangsaliert. Darüber hinaus lehne ich die Polizei als Verkörperung der Gewalt in dieser kapitalistischen Gesellschaft ab, die die Interessen der Herrschenden durchsetzt und die Menschen von der Erfüllung ihrer Bedürfnisse trennt.Ein einzelner Verbindungsbeamter bei einer Versammlung ist mir herzlich egal.Es ist daher auch offensichtlich ein konstruierter Versuch in den Akten noch irgendwie Gehalt an den Vorwurf der Beleidigung zu bringen, wenn die Polizei behauptet, ich hätte die Beamten bewusst angeschaut, während ich das Wort Bulle gesagt haben soll. Meine Warnung war offensichtlich an die Versammlung gerichtet. Wo die betreffenden Beamten da genau standen, weiß und wusste ich überhaupt nicht. Ich glaube ich hätte sie auch nicht mal erkannt. Ich hatte ja vor der gewaltsamen Maßnahme gar keinen Kontakt zu den eingesetzten Beamt*innen, das hat die Anmelderin erledigt.Generell stand ein Großteil der Polizist*innen die meiste Zeit auf der Mittelinsel vor dem Rathaus. Sie standen damit aus Moderationsperspektive in verlängerter Linie genau zwischen unserer Kundgebung und der rechten Versammlung. Meine Blickrichtung war also während der gesamten Moderation auch in Richtung der Polizei gerichtet. Schade, dass sie sich anscheinend nichts vom Rest der Moderation und den anderen Redebeiträgen zu Herzen genommen haben. Statt mich hier vor Gericht zu zerren, hätten sie dann vielleicht ihren Job gekündigt und aufgehört rechte Versammlungen zu schützen.Im ersten Anhörungsbogen, den ich von der Polizei erhielt, beschwerte sie sich außerdem, dass sie angeblich mit dem rechten Aufmarsch von „Bielefeld steht auf“ auf eine Ebene gestellt würde. Was schlimm sei, da diese ja den Holocaust relativieren würden. Tatsächlich habe ich gesagt, dass es die Sympathien der Polizei offenlegt, wenn sie mich aus der Versammlung ziehen, während bei „Bielefeld steht auf“ Holocaustrelativierung, Rassismus, Nationalismus und andere Hetze stattfindet. Da die Polizei laut Anhörungsbogen ja selbst davon ausgeht, dass bei Bielefeld steht auf mutmaßlich Holocaustrelativierung stattfindet, stellt sich schon die Frage warum hier heute die Moderation der antifaschistischen Gegenkundgebung vor Gericht steht und nicht die Rechten von Bielefeld steht auf. Auch hier fühle ich mich in meinen Aussagen bestätigt.Insgesamt denke ich, dass ich heute vor Gericht stehe, weil die Polizei im Nachhinein eine Rechtfertigung für ihre völlig aus dem Ruder gelaufene Maßnahme finden wollte und dafür die Ressourcen der Justiz instrumentalisiert. Ich bin mir keiner Schuld bewusst und erwarte einen Freispruch.Abschließend möchte ich mich für die Unterstützung die ich heute vor Gericht erhalte bedanken. Eure Solidarität bedeutet mir viel. Ich bitte euch auch andere Antifaschist*innen zu unterstützen, die von viel schwerer Repression betroffen sind. Insbesondere die in der JVA Bielefeld inhaftierte Luca.Diese Prozesserklärung erachte ich als abschließend und werde darüber hinaus keine Angaben machen