[Redebeitrag] Gedenken heißt kämpfen 24 -2

Heute vor 86 Jahren sind Faschisten in Deutschland durch die Straßen gezogen, haben Synagogen und jüdische Geschäfte zerstört und niedergebrannt. Das Motiv: Anitisemitismus. „Juden seien Volksfeinde“, hieß es damals . An diesem Tag erreichte der Antisemitismus in Deutschland eine neue Eskalationsstufe: wenig später wurden Jüd*innen maßenhaft deportiert, getthoisiert und ermordet. Die Nationalsozialistische deutsche Arbeiter Partei NSDAP, die von Adolf Hitler angeführt wurde, konnte im März 1933 43,9% der Wähler*innenstimmen für sich gewinnen. Die Zustimmung war groß in der Weimarer Republik. Die größte faschistische Partei in Deutschland heute ist die AfD. Sie erfreut sich ebenfalls großer Zustimmung: Erst vor wenigen Wochen holte sie bei der Landtagswahl in Thüringen 32,2%.

Ihre Wählerschaft sehnt sich nach einer Politik im Interesse des deutschen Volkes. In ihrer Vorstellung sind Deutsche weiß, fleißig und eine Interessensgemeinschaft. Ein Kollektiv, das sich über Jahrhunderte herausgebildet hat und heute eine Sprache spricht, eine Kultur pflegt und sich einen Staat gegeben hat. Stolz ist man auf Deutschland. Allerdings: Niemand hat sich seine Nationalität ausgesucht. Kein Grund stolz zu sein. Und: Sie ist auch nicht biologisch oder historisch begründet, sondern wird erst als Verwaltungsakt durch den Staat hergestellt.
Der Staat legt außerdem die Lebensbedingungen fest. Diese sind durch Konkurrenz um Eigentum geprägt. Das Ergebnis ist alles andere als eine Interessensgemeinschaft: Nachbar*innen konkurrieren um Jobs, Gewerkschaften streiten für höhere Löhne, welche die Chefs nicht zahlen wollen, Eigentümer*innen erhöhen die Miete für ihre Wohnungen, die die Bewohner*innen nicht zahlen können. Eine Politik im Deutschen Interesse zu fordern bedeutet von seinem eigenen Interesse abzusehen und stattdessen für das Interesse des Staates einzutreten. Selten fällt das mit dem der Arbeiter*innenklasse zusammen – ja die gibts es auch heute noch – immerhäufiger dafür mit dem des berühmten 1%, das daher gar keine Notwendigkeit hat im Geheimen die Strippen zu ziehen wie viele antisemitische Verschwörungstheorien behaupten.
Die Jobs sind prekär, unsere Löhne niedrig und die Mieten zu hoch. Während die Meisten immer ärmer werden, profitieren einige Wenige enorm von der staatlich eingerichteten Gesellschaft. Der Grund dafür ist aber nicht, dass die Reichen moralisch verkommen oder zu gierig sind. Es sitzt auch nicht blos das falsche Personal auf der Regierungsbank. Der Grund für die Misere, die der großteil der Menschheit zu ertragen hat, ist in der Konkurrenz um Eigentum, im Kapitalismus, der fälschlicherweise als natürlich und unveränderlich erscheint, angelegt.
Antisemitische Erzählungen loben die guten deutschen Industrie-Arbeiter*innen und machen jüdische Finanzeliten für kapitalistische Krisen verantwortlich. So liefern sie Schuldige, die es dann zu vernichten gilt, aber erklären nicht die Ursachen für Armut und Leistungszwang.

Zwar glauben auch einige Linke solche Verschwörungs-Theorien, doch besonders beliebt sind sie seit jeher bei rechten faschistischen Gruppen. Wie gut Rassismus und Antisemitismus zusammen funktionieren, zeigt sich in der rechten Erzählung des großen Austauschs. In antisemitischer Manier wird behauptet, globale Eliten würden Migration bewusst steuern, um den Volkstod herbeizuführen. Diese Verschwörungsideologie nutzen auch rechte Parteien wie die AfD für sich, indem sie behaupten als Einzige Politik gegen die Eliten und im Sinne des Volkes zu machen.
Aus dieser Position heraus besetzen sie nach wie vor ihr Hauptthema: Migration.

Es heißt es müsse endlich mehr abgeschoben und die Grenzen dicht gemacht werden. Vor einigen Jahren galten diese Positionen vielen noch als rechtextrem. Heute sind sie in der Mitte des Parteienspektrums angekommen. Nach dem islamistischen Messerangriff auf einem Volksfest in Solingen im August entstand eine rassistische Debatte um schnellere Abschiebungen. In kurzer Zeit wurde das sogennante „Sicherheitspaket“ geschnürt. Die berühmte Brandmauer steht grade noch in der politischen Zusammenarbeit, Inhaltlich bricht sie immer weiter. Die Ausgrenzung der AfD durch die etablierten Parteien gründet sich in der nationalen Parteienkonkurrenz. Einer Zusammenarbeit mit der faschistischen Regierungschefin Italiens Giorgia Meloni steht offenbar keine solche Brandmauer im Weg. Das neue von Italien betriebene Internierungslager für Geflüchtete in Albanien, also außerhalb der EU, bezeichnet die deutsche Innenmenisterin Nancy Faeser gar als „Interressantes Modell“. Gewalt gegen Menschen, die vor Krieg und Armut fliehen steht hoch im Kurs in Europa, bei den zuständigen Amtsträger, an Stammtischen und bei Organisierten Nazis auf der Straße.

Ein neues Verhältnis zu Gewalt, lernen junge Menschen derzeit im Rahmen der Aktion „Kriegstüchtig werden“ von den über 90 Jugendoffizieren der Bundeswehr, die durch Deutschlands Klassenzimmer ziehen und für den Dienst an der Waffe werben, ebenso wie von Spitzenpolitiker*innen die neben Panzern, in Kampfflugzeugen oder mit dem Gewehr in der Hand für die Presse posieren. Die Message ist klar: „Für die Sicherheit Deutschlands muss auch mal geschossen werden.“ Wenn dieselben Politiker, immerzu erklären, dass mehr Abschiebungen nötig sind, die Anwesenheit von Ausländer*innen den Interessen der Deutschen widerspreche, brauchen sie sich nicht wundern, wenn es bald weitere antisemtische und rassistische Morde und Anschläge gibt wie in Halle 2019, Hanau 2020 und über viele Jahre durch den NSU.

Auch rassistischer Polizeigewalt begegnen auf diese Weise erzogene Bürger*innen unkritisch. Der große Aufschrei nach dem Mord an Mouhammed Dramé 2022 in Dortmund blieb aus. Ebenso letzes Jahr in Herford nach dem die Polizei 34 Schüsse auf den damals 19 Jährigen Bilel G. abgegeben hat. Stattdessen fuhr die lokale Presse eine Kampagne gegen die Solidaritätsdemonstration des „Solikreis Herford“ die Aufklärung, Konsequenzen und Gerechtigkeit für Bilel forderte. Große Teile der Herforder*innen ließen sich mitreißen und in Panik versetzen. Man sorgte sich um die reibungslose Durchführung des anstehenden Volksfests und die wirtschaftliche Lage der Schausteller*innen, nicht aber um das Schicksal von Bilel und seiner Familie.

Wenn wir verhindern wollen das weiterhin antisemitische, rassistische und queerfeindliche Übergriffe, Pogrome und Morde stattfinden, ob von Bullen, Militärs, oder faschistischen Untergrundorganisationen, müssen wir Nationalismus, der Zustimmung zum Staat, völkischem Denken, der Bundeswehr, Abschiebungen und vielem weiteren, wofür die AfD, rechtsextreme Gruppen und etablierte Parteien uns zu agitieren versuchen, eine klare Absage erteilen. Erst in einer Welt die nicht mehr unter Nationalstaaten aufgeteilt ist wird rechtem Terror, Faschismus, Antisemitismus und Krieg der Nährboden entzogen sein. In diesem Sinne: Gedenken heißt Kämpfen! Gegen Staat, Nation und Kapital.

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