Afghanistan ist nicht sicher – und war es in den letzten Jahrzehnten auch nie. Das Land ist seit rund 40 Jahren im dauerhaften Krisenzustand. Die islamistische Taliban konnte Krisensituationen seit ihrer Gründung immer gut für sich nutzen.
Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass die Taliban das Land wieder erobert haben, sobald die NATO Streitkräfte es verließen.
Beim Einsatz in Afghanistan hat man nie wirklich das getan was nötig gewesen wäre, um dem Islamismus ernsthaft die Grundlage zu entziehen. Selbstverständlich ist es richtig, die Taliban zu entwaffnen, selbstverständlich braucht es dazu eine praktische Solidarität mit progressiven Akteur:innen vor Ort. Jedoch reicht eine einfache Entwaffnung nicht aus. Will man dem Islamismus tatsächlich den Kampf ansagen, dann gilt es ihm die Grundlage zu entziehen. Es ginge um den Aufbau einer verlässlichen und solidarischen Ökonomie, die die Menschen nicht sich selbst überlässt. Die die materiellen Bedürfnisse der Menschen befriedigt und den Menschen eine Perspektive und echte Mitbestimmung bietet, anstatt die Leute imperalistischen Interessen auszuliefern. Durch eine einfache Besetzung und die Tötung Einzelner wird der Islamismus nicht von dieser Erde getilgt.
Alle Abschiebe- und Kriegsparteien, von CDU/CSU über FDP, SPD bis Grüne, alle Verantwortlichen der letzten Jahrzehnte, alle Verlogenen, die jetzt überrascht tun, ist es nie primär um den Kampf gegen den Islamismus, um Frauen- Queer- und Kinderrechte, um demokratische Werte gegangen: sonst hätten sie niemals Menschen in den sicheren Tod abgeschoben. Sie haben die Menschen, die sie jetzt im Stich lassen, für ihre geopolitischen Spielchen missbraucht. Sie interessieren sich nicht für Frauen-, Kinder-, Menschenrechte, nicht in Afghanistan, nicht mal hier, nicht mal vor ihrer eigenen Haustür. Sie interessieren sich nicht für den Kampf gegen Islamismus und Faschismus. Sie lassen Menschen sterben, sie lassen sie ertrinken, sie lassen sie im Stich, sie töten mit, sie retten ihre scheiß Wohlstandsärsche und die Profite ihrer Unternehmen. Sie sind Verbrecher.
Von uns aus können sie ihre geheuchelten Krokodilstränen sparen. Die Machtübernahme der Taliban war nie eine Frage des ob, sondern nur des wann. Warnungen in diese Richtung gab es seit Monaten. Die Bundesregierung aus CDU und SPD hat sich geweigert sich mit diesem Thema zu befassen. Ein Antrag zur Aufnahme der Ortskräfte wurde im Bundestag abgelehnt. Es hätte ja den Wahlkampf behindern können.
Auch wenn sie schon seit Langem über die Situation in Afghanistan Bescheid wussten und die Katastrophe hätten ahnen können, ist die jetzige Besorgnis der Bundesegierung glaubhaft. Sie gilt allerdings nicht den Frauen, Queers oder Oppositionellen in Afghanistan, denen die menschenunwürdigsten Gräuel unter der islamistischen Herrschaft drohen. Deutschland sorgt sich vielmehr um seinen Ruf in der Welt.
Wer soll zukünftig noch mit ihnen zusammenarbeiten, nachdem alle gesehen haben, wie die Verbündeten in Afghanistan im Stich gelassen wurden?
Das ist der Grund warum jetzt selbst die AfD eine Aufnahme der Ortskräfte fordert. Man will ja nicht schlecht dastehen und erbarmt sich dann sogar ein paar nützliche Ortskräfte aufzunehmen.
Eine Einteilung von Menschen in nützlich und unnütz kann aber niemals eine linke Position sein. Wir fordern deshalb eine uneingeschränkte Aufnahme aller Geflüchteten und die Schaffung sicherer Fluchtwege. Und das gilt selbstverständlich nicht nur für die Menschen in Afghanistan, sondern weltweit!
Wir dürfen uns zudem nicht nur fragen, was konkret in dieser Situation hilft. Sondern müssen auch analysieren, wie es überhaupt soweit kommen konnte und wie wir es zukünftig verhindern können. Sonst gehen noch unsere Enkel:innen wie wir bei den jeweiligen aktuellen kleinen und großen Katastrophen auf die Straße und stehen sich die Beine in den Bauch. Auch als es in Moria brannte standen wir hier. Als die Seenotrettungsschiffe beschlagnahmt wurden, standen wir immer wieder hier. Als die Türkei das emanzipatorische Projekt in Rojava angriff, waren wir hier.
Natürlich ist es leicht (und wahrscheinlich auch gerechtfertigt) Gestalten wie Laschet oder Seehofer moralisches Komplettversagen vorzuwerfen. Es geht hier aber nicht um eine Frage der Moral. Wenn verschiedene Politiker:innen angesichts der aktuellen Lage davon schwadronieren, dass sich 2015 nicht wiederholen darf, tun sie das nicht weil sie besonders böse wären. Aus kapitalistisch-nationalistischer Sichtweise ist es logisch nur diejenigen aufzunehmen, von denen sich Deutschland einen Vorteil verspricht. Es ist auch logisch sich an einem aussichtslosen Krieg zu beteiligen, wenn es den geopolitischen Interessen dient. Genauso wie es logisch ist die Beteiligung zu beenden, wenn sich diese Interessen ändern.
Diese Logik lässt sich nicht durchbrechen, indem die besseren Verwalter:innen dieses ganzen Elends an die Macht gewählt werden. Die Kriegsbeteiligung Deutschlands in Afghanistan wurde unter Rot-Grün beschlossen. Noch dieses Jahr wurde aus den schwarz-grün regiertem Hessen und Baden-Württemberg und selbst aus dem Rot-Rot-Grünen Berlin nach Afghanistan abgeschoben.
Wollen wir ernsthaft etwas an diesen unerträglichen Zuständen ändern, müssen wir nicht unser Kreuzchen an der richtigen Stelle machen, sondern für ernsthafte Alternativen eintreten. Ernsthaftigkeit meint, dass wir nicht für linke Träumereien, sondern für realistische Utopien antreten. Angesichts der erschreckenden Lage in der Welt, ist Alles zu fordern das Wenige, das bleibt. Wir haben keine Lust mehr uns alle paar Monate trauernd, wütend und ohnmächtig der um sich schlagenden Babarei gegenüberzusehen. Wir müssen Gegenmacht aufbauen. Wir müssen selbst sichere Fluchtwege schaffen. Wir müssen selbst für die Unterstützung der Unterdrückten dieser Welt sorgen. Wir müssen selbst Abschiebungen verhindern oder zumindest den Preis in die Höhe treiben. Das schaffen wir nicht allein dadurch, dass wir uns hier ab und zu einfinden und gemeinsam unser Entsetzen, unsere Trauer und unsere Wut zum Ausdruck bringen. Stärke werden wir in diesem Kampf vorallem dann finden, wenn wir uns zusammenschließen, uns kennenlernen, auf einander aufpassen und gemeinsam handeln. Mit anderen Worten: Es ist Zeit sich zu organisieren. Wenn die Staaten dieser Welt zeigen wozu sie fähig sind, werden wir zeigen, dass wir zusammenhalten.
Organisierung kann viele Gesichter haben. Ob als Hausgemeinschaft von Mieter:innen, als solidarische Kolleg:innen am Arbeitsplatz, als Freund:innenkreis oder als Antifagruppe. Wenn wir Menschen bei uns haben, auf die wir uns verlassen können, mit denen wir uns beraten und zusammen handeln können, dann können wir effektiv den menschenverachtenden Zuständen widersprechen im Kleinen wie im Großen. Organisiert euch mit euren Freund:innen oder schließt euch einer der zahlreichen Gruppen in Bielefeld an, denn nur so kommen wir aus unserer Ohnmacht heraus!
Für eine Gesellschaft jenseits von Staat, Nation und Kapital!
Nieder mit dem Islamismus! Für die sichere Aufnahme aller Geflüchteten!