[Redebeitrag] Feminismus statt Armut und Leistungszwang!

„Deutsche im Schnitt immer reicher“. Diese Schlagzeile titelte die Tagesschau im Sommer letzten Jahres. Demnach eilt das Geldvermögen der Deutschen von Rekord zu Rekord und hat 2021 erstmals die gigantische Summe von sieben Billionen Euro überschritten. Damit ist es gegenüber dem ersten Vorjahr um fast 160 Milliarden Euro gestiegen. Gleichzeitig erreichte die absolute Armut in Deutschland nach einem Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverband mit 13,4 Millionen Menschen ebenfalls einen neuen Höchstwert. Der steigende Reichtum Weniger auf der einen und die sich ausbreitende Armut der Mehrheit auf der anderen Seite zeigt uns: Der Kampf für eine solidarische Gesellschaft ist notwendiger denn je! Denn während das reichste Prozent der Deutschen über 35 Prozent des Gesamtvermögens besitzen und ihr Vermögen trotz der Pandemie vermehren konnte, verfügt die ärmere Hälfte über lediglich 1,4 Prozent.

Besonders betroffen von der sich verschärfenden Vermögensungleichheit in Deutschland sind FLINTA. Denn was nach dem aktuellen Bericht der Nationalen Armutskonferenz vielen Männern trotz der Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse noch gelingt, bleibt jeder Dritten Frau in Deutschland verwehrt: Sie können mit ihrem Lohn ihren unmittelbaren Lebensbedarf nicht decken. Ihre Beschäftigungsverhältnisse sind oft prekär, ihre Lebenssituationen damit auch.

Als wäre das nicht schlimm genug, sieht es der Nationalen Armutskonferenz zu Folge für alleinerziehende Frauen noch düsterer aus. So reicht das Einkommen von 50 Prozent der Frauen nicht aus, um den Lebensunterhalt für sich und ihr Kind zu decken. Mehr als 40 Prozent der alleinerziehenden Frauen sind auf Sozialleistungen angewiesen. Sie müssen sich neben der Doppelbelastung von Kindererziehung und Lohnarbeit mit Ämtern und Anträgen rumschlagen.

Trauriger Höhepunkt: 2/3 der Frauen verdienen nicht genug, um mit ihrem Gehalt langfristig für Erwerbslosigkeit und Rente vorzusorgen. Bei einer durchschnittlichen Rentenerwartung von 618 Euro im Monat sind Frauen daher im hohen Maße von der immer präsenteren Altersarmut bedroht. Besonders betroffen von Altersarmut sind einer Studie des Deutschen Institut für Sozialwirtschaft vor allem auch queere Menschen. Sie sind im Alter häufiger von Armut bedroht als Cisgeschlechtliche und Heterosexuelle. Und auch Trans-Personen ziehen auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt oft den kürzeren und müssen im Alter jeden Euro mehrfach umdrehen. Denn über 30 Prozent der Trans-Personen in Europa finden keine Erwerbsarbeit und haben nicht einmal die Möglichkeit in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen.

Die Ursache für die verschärfte Armut von FLINTA sind neben der oftmals systematischen Diskrimierung vor allem auf zwei Punkte zurückzuführen:

Zum einen leisten FLINTA bis heute nach wie vor einen großen Teil der häuslichen Reproduktionsarbeit. Anstatt einen Lohn dafür zu bekommen, zahlen sie unfreiwillig einen hohen Preis dafür, dass sie Kinder erziehen, Angehörige pflegen und die Hausarbeit verrichten. Denn da sie bis heute nach wie vor 52 Prozent mehr Sorgearbeit leisten als Männer, arbeiten sie häufiger in Teilzeit und verdienen dementsprechend weniger.

Zum anderen arbeiten FLINTA häufiger im Einzelhandel oder in Gesundheits- und Sozialbereichen, die für gewöhnlich noch schlechter bezahlt werden als andere Berufe. Der Umbau von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtung zu profitorientierten Unternehmen hat die Arbeitssituation der überwiegend weiblichen Beschäftigten im Gesundheitsbereich weiter verschlechtert.

Doppelbelastung, Stress, schlechte Löhne, Niedriglohnsektor, Armut. So lassen sich die Arbeits- und Lebensbedingungen vieler FLINTA in Deutschland beschreiben. Von dem beschriebenen Erfolg Deutschlands und dem steigenden Reichtum kommt bei ihnen nicht viel an. Im Gegenteil: Der Erfolg der deutschen Unternehmen und deren Eigentümer:innen geht auf unsere Kosten. Wir als FLINTA sollen die im Kapitalismus ausgelagerte und unbezahlte Reproduktionsarbeit leisten. Und wir sollen uns auf der Erwerbsarbeit mit miesen Löhnen und zusätzlichem Stress durch Unterbesetzung abfinden. Wir sagen: Stopp! Lasst und gemeinsam Einspruch erheben gegen die Ausbeutung unserer Arbeitskraft für die Profite der Reichen. Feministisch kämpfen heißt für uns daher nicht nur gegen die patriarchale Arbeitsteilung und sexistische Gewalt im Privaten zu kämpfen, sondern auch gegen die kapitalistische Ausbeutung.

In diesem Sinne:
Feminismus statt Armut und Leistungszwang!
Gegen Patriarchat und Kapitalismus