[Redebeitrag] [fem*ref] Gesundheit ist keine Ware

Folgender Redebeitrag wurde vom Fem*Ref auf der Kundgebung „Solidarisch aus der Krise! – Gesundheit darf keine Ware sein“ gehalten. Wir veröffentlichen ihn hier mit freundlicher Genehmigung.

Solidarisch aus der Pandemie – Gesundheit ist keine Ware!
Die Pandemie der letzten Jahre hat die ohnehin schon oft beschissene medizinische Versorgung von Frauen und trans Personen massiv verschlimmert.
Ein Beispiel sind Schwangerschaftsabbrüche. Diese sind in Deutschland im §218 und §219 des Strafgesetzbuchs geregelt. Ein Abbruch ist nur straffrei, wenn eine verpflichtende Beratung in Anspruch genommen wird und der Abbruch innerhalb der ersten drei Monate durchgeführt wird. §219a stellt außerdem das Informieren darüber, dass Ärzt*innen Abbrüche anbieten, unter Strafe. 
Der ohnehin schon prekäre Zugang für Schwangere zu Informationen und Ärzt*innen hat sich in der Pandemie noch einmal verschlimmert. In Deutschland sank die Zahl der Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten während der Pandemie noch weiter. Sie wurde noch geringer als sie es sowieso schon war. Zum Beispiel, weil ältere Ärzt*innen zur Risikogruppe zählen in Rente gingen und es selten eine Nachfolge gibt, die Abbrüche anbietet. Vor allem im ländlichen Raum gibt es wenige bis gar keine Ärzt*innen, die die Eingriffe durchführen. Gleichzeitig verwiesen Krankenhäuser darauf, dass nur Notfälle behandelt werden dürfen. Schon vor der Pandemie wurden Ärzt*innen, die Abbrüche anbieten, oft bedroht und verklagt, sobald sie darauf aufmerksam machten, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Die katastrophale Lage zeigt sich auch bei der gesetzlich verpflichtenden Beratung. Während der Pandemie mussten die Beratungsscheine zeitweise per Post an ungewollt Schwangere geschickt werden, sodass sich der Prozess nur weiter verzögerte. Auch geschlossene Krankenkassen haben es für Betroffene zusätzlich noch deutlich schwieriger gemacht, Kostenübernahmen zu beantragen.
Auch vor der Pandemie war klar: Ein medizinischer Eingriff und genau das ist nämlich ein Schwangerschaftsabbruch, gehört nicht ins Strafgesetzbuch. In der Pandemie wurde das noch einmal mehr deutlich. Schwangerschaftsabbrüche müssen raus aus dem Strafgesetzbuch! Die Streichung von § 219a reicht uns längst nicht aus. Wir fordern die Abschaffung von §§ 218, 219! Als Teil der medizinischen Grundversorgung für Personen mit Uterus müssen Abbrüche Kassenleistung für alle werden! Die Versorgung muss überall sichergestellt werden! 
Die Beratungspflicht gehört abgeschafft! Stattdessen müssen niedrigschwellige, freiwillige Beratungsangebote bundesweit etabliert und gefördert werden! Schwangerschaftsabbrüche müssen endlich fester Bestandteil der gynäkologischen medizinischen Ausbildung werden, denn es braucht flächendeckend Ärzt*innen die Abbrüche anbieten. Krankenhäuser müssen dazu verpflichtet werden Abbrüche anzubieten.
Und wir wollen hier einmal kurz auf die internationale Situation hinweisen. Auch international ist die Lage prekär. Während der Pandemie kam es in unterschiedlichen Ländern zu zahlreichen Gesetzesverschärfungen. So ist es in Teilen der USA oder in Polen fast unmöglich abzutreiben. 
Auch die Situation für trans Personen im Gesundheitssystem ist katastrophal. Sie sind Diskriminierung ausgesetzt, ihre körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung wird nicht anerkannt und grundlegend in Frage gestellt. Die Pandemie hat das nur noch verschlimmert.
Nicht nur sind trans Personen von mehr Gewalt betroffen, während gleichzeitig viele SafereSpaces und psychosoziale Unterstützungsangebote weggefallen sind. Geschlechtsunterstützende Maßnahmen fielen auch aus. So gelten geschlechtsangleichende Operationen nicht als „dringend notwendig“, obwohl Studien zu Suizidalität und Suizidprävention bei trans Personen seit Jahren Nahe legen, dass diese OPs lebensrettend sind. Auch über den Zugang zu den notwendigen Hormonpräparaten konnten sich trans Personen nicht sicher sein. Diese massive Unsicherheit, die zu den eh schon regelmäßig gewaltvollen und entwürdigenden Erfahrungen im Gesundheitssystem hinzukommen, haben die Situation für trans Personen deutlich verschärft!
Für uns ist ganz klar:
1. Das sogenannte Transsexuellengesetz muss abgeschafft werden! Es braucht ein Selbstbestimmungsgesetz, das sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert!
2. Die medizinische Versorgung von trans Personen muss sichergestellt sein! Die Abschaffung des TSGs reicht uns nicht aus! Wir fordern, die diskriminierenden und aufwendigen Barrieren für geschlechtsangleichende Operationen abzuschaffen! Körperliche Selbstbestimmung für ALLE!
Die Pandemie hat eines nochmal ganz deutlich gezeigt: Das Gesundheitssystem hat ein grundlegendes Problem! Statt dass die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung von Betroffenen und Patient*innen gewahrt und sichergestellt wird, sind diese Diskriminierung und Herabwürdigungen ausgesetzt und müssen dann auch noch die Kosten für ihre zum Teil lebenswichtige medizinische Versorgung selber tragen. Das ist nicht hinnehmbar!
Wir fordern ein solidarisches, staatlich finanziertes Gesundheitssystem, das nicht auf ökonomische Gewinne ausgerichtet ist!
Wir fordern ein Gesundheitssystem, dass sich an den Bedürfnissen und Interessen der Betroffenen orientiert und sie ernst nimmt!
Gesundheit darf keine Ware sein!