[Redebeitrag] Genug spaziert!

Die „Spaziergänger“ von „Bielefeld steht auf“ sehen nicht so aus, wie sich die meisten Leute Rechte vorstellen: Glatze, Bomberjacke und Springerstiefel sind kaum zu sehen.
Natürlich war dieses Klischee von Rechten schon immer falsch, die meisten Teile der Querdenken Bewegung wirken jedoch bemerkenswert normal. Abgesehen von ein paar besonders Verwirrten, die als laufende Litfaßsäulen für Verschwörungstheorien oder, umwickelt mit Lichterketten, als lebendige Weihnachtsbäume auftreten, passen die meisten auch auf ein stinknormales Familienessen.

Das liegt daran, dass sie ganz „stinknormal“ sind. Fast jede:r kennt doch diesen Onkel, der beim Familienessen eigentlich ganz nett wirkt. Irgendwann landet er dann aber immer bei Migration, Gender und „denen da oben“, die alles steuern würden. Spätestens dann wird es unangenehm.
Normales Auftreten ändert nichts an einer rechten Einstellung. Menschenfeindliche Ideologien, von Nationalismus, über Queerfeindlichkeit oder Antisemitismus sind quer durch die Gesellschaft verbreitet. Und genau mit diesen Ideologien haben wir es bei „Bielefeld steht auf“ zu tun.
Das Problem liegt eben nicht nur bei den überzeugten Nazis, die regelmäßig und gewaltbereit auf den „Spaziergängen“ mitlaufen und, wie bei den Schilderdemos in Detmold, teilweise maßgeblich an deren Organisation beteiligt sind.
Das Problem liegt auch darin, dass die menschenfeindlichen Einstellungen der überzeugten Nazis, vom friedensbewegten Hippie über den esoterischen Linken bis hin zum durchschnittlichen Familienvater, geteilt werden. Ihr Antifeminismus, ihr Rassismus und ihr Antisemitismus treiben sie gemeinsam auf die Straße.
Es liegt eben auch bei den „abgedrehten“ Hippies bei denen es so wirkt als wenn sie nur auf eine Einladung in die Rechte-Szene gewartet hätten. Durch die Corona-Pandemie hatten sie dann endlich ihre Rechtfertigung in den Nazi-Club  einzutreten.
Aufgrund der Unsicherheit im Umgang mit der Corona-Situation und dem ungewohnten Auftreten der Corona-Rechten hat sich die Zivilgesellschaft mit Gegenprotest von Beginn an schwer getan. In Bielefeld, wo noch in den Jahren zuvor über 10.000 Menschen gegen Naziaufmärsche protestiert haben, standen ein paar Antifas ziemlich allein gegen die „Querdenker:innen“. Seinen Höhepunkt hatte dies im Dezember 2021 erreicht: als die Kräfteverhältnisse im Vergleich zu den Haverbeck Demos plötzlich umgedreht waren und wir mit wenigen hundert Menschen, mehreren tausend „Spaziergänger:innen“ gegenüber standen. Es gab Übergriffe auf Linke, Hitlergrüße und unkontrollierte Demos durch die Stadt.
Bielefeld etablierte sich als regionaler Hotspot der „Spaziergänge“. Monatlich demonstrieren, natürlich spazierend, hunderte Rechte, in der Regel ohne Gegenprotest, durch die Stadt. Sie tragen dabei nicht nur ihr Weltbild auf die Straße, sie vernetzen sich und bieten Rückzugsräume für andere Rechte. Praktisch alle Teile der regionalen rechten Szene beteiligten sich immer wieder an den „Spaziergängen“ und nutzten die Chance, die sie sonst in Bielefeld nicht haben: ohne Gegenprotest auf die Straße zu gehen. Wir müssen selbstkritisch zugeben: Auch wir haben unsere Prioritäten anders gesetzt und hatten nicht mehr die Kraft und Ausdauer jeden schrägen Spaziergang zu begleiten.
Doch wie auch bei rechten Aussagen auf dem Familientreffen gilt: Von allein geht das Problem nicht weg. Es braucht aktiven Widerspruch. Während im Einzelfall eine kritische Diskussion noch zielführend sein kann, heißt das im Falle von „Bielefeld steht auf“: Ihnen den Raum nehmen, über sie aufklären und ihnen das Leben schwer machen. Viele von denen, die im Kontext von den Corona-Protesten ihr rechtes Weltbild gefestigt haben, werden über Jahre als rechte Aktivist:innen aktiv bleiben und sich weiter radikalisieren. Wir sind deshalb froh, dass sich ein breites Bündnis gefunden hat, um auf dieses Problem endlich wieder aufmerksam zu machen.
Nehmt dies als Anlass euch zu informieren und zu organisieren!

Lasst uns den Rechten gemeinsam entgegentreten!